pro sieben
http://www.poemproducer.com/any.php?id=25




Westernization Completed - AGF

Veroeffentlichung: 24.11.2003

Der Titel "Westernization Completed" schlägt mindestens zwei
Lesearten vor: die persönliche Transformation der Künstlerin Antje
Greie aus der Perspektive ihrer eigenen Biographie betrachtet, oder
aber eine Referenz an gegenwärtige geopolitische Bestrebungen eines
Staates als sogenannte Supermacht, im Verhältnis zu den zu
assimilierenden Kulturen. Fragmente für beide Interpretationen finden
sich in Text und Musik - das kleine Bild ist dem großem Bild
eingeschrieben, und umgekehrt.

Ãœberhaupt sind Ton und Sprache auf "Westernization Completed" in sich
gebrochen, Sprünge sind hörbar, Pausen gewollt, Poesie entsteht aus
der Neuorganisation von Wortbausteinen. Diese haben ihre eigene
Tonalität und werden so zu einer weiteren Schicht Musik und einer
übergelagerten Ebene an Bedeutung. Ähnlich wie alle Mütter eine
Bindung zu ihren Kindern über den Klang der Stimme aufbauen, rückt
Antje Greie ihre Vocals in das Zentrum der Aufmerksamkeit, und
verführt den Hörer sein assoziatives Potenzial an ihren
Gedankenströmen zu messen.

Mag sein, die Musik ist der Mittler zwischen zwei Motiven, die in
Text und Titeln immer wieder aufgegriffen werden: "Poem" und "Movie".
Jene Vorstellung eines verzaubernden Satzes verbindet sich mit jener
Vorstellung eines perfekten Bildes auf der Ebene der Musik. Diese
Musik hat die Kraft die Wahrnehmungen zu intensivieren, die Erfahrung
eines Zeitgefüges zu manipulieren, damit Sprache neu erlebbar zu
machen und Visionen einen Moment länger als gewohnt festzuhalten. Die
Form gibt dabei den Inhalt mühelos frei - in dem Klang der Worte
liegt so viel Neugier, so viel Erstaunen. Die Wachheit eines offenen
Geistes.

Trotz der elektronischen Basis ihrer Stücke befreit sich Antje Greie
von den Erwartungshaltungen, die ihre Projekte mit Laub, mit Luomo
oder ihre Kollaboration mit Craig Armstrong hervorgerufen haben.
Getreu dem im letzten Stück verwendeten Blade-Runner-Zitat "if only
you could see, what I have seen with your eyes" führt Antje Greie den
Hörer durch die persönlichste aller Welten und wirft ihn letztendlich
auf sich selbst zurück. Das dies kein schmerzvoller Prozess sondern
eine durch und durch sinnliche Erfahrung ist, liegt an der Kunst der
Komposition.

Fragil und transparent sind zwei Attribute die einem bei den
Lautmalereien unmittelbar einfallen wollen, jedoch sind auch
Gegenpole wie rollende Basswellen oder clickende Sollbruchstellen im
Gesamtbild verankert, so dass ein sehr ausgewogenes, organisches
Resultat durch die Lautsprecher klingt. Es ist Musik zum Zuhören,
befreit von jeglicher Funktionalität.

Auch die klassische narrative Qualität von Text wird zu Gunsten von
frei assoziierten Bildern verworfen, der musikalische Ausdruck folgt
auf dem Fuße, und lässt aufregende Passagen vorübergleiten. Damit
verstrickt Antje Greie ihre Hörer in ein Netz aus Zeichen, Gedanken,
Symbolen und Sounds, die einem Tagtraum gleich ihr suggestives
Potenzial mit jedem Anhören steigern. Es sei noch angemerkt dass die
Künstlerin mit der Hilfe von ein paar Freunden ein Coverartwork für
"Westernization Completed" entworfen hat, welches die Inhalte der
Kompositionen spiegelt, und durch den Charakter eines Bilderbuches,
gleich noch einen Gegenentwurf für all jene liefert, die immer noch
bedauern, dass Compact Discs sich nicht individuell und ästhetisch
verpacken lassen. Ein Gesamtkunstwerk!

http://www.prosieben.de/filmdb/index2.php?action=onDetailCD&id=1236