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Westernization Completed - AGF Veroeffentlichung: 24.11.2003 Der Titel "Westernization Completed" schlägt mindestens zwei Lesearten vor: die persönliche Transformation der Künstlerin Antje Greie aus der Perspektive ihrer eigenen Biographie betrachtet, oder aber eine Referenz an gegenwärtige geopolitische Bestrebungen eines Staates als sogenannte Supermacht, im Verhältnis zu den zu assimilierenden Kulturen. Fragmente für beide Interpretationen finden sich in Text und Musik - das kleine Bild ist dem großem Bild eingeschrieben, und umgekehrt. Überhaupt sind Ton und Sprache auf "Westernization Completed" in sich gebrochen, Sprünge sind hörbar, Pausen gewollt, Poesie entsteht aus der Neuorganisation von Wortbausteinen. Diese haben ihre eigene Tonalität und werden so zu einer weiteren Schicht Musik und einer übergelagerten Ebene an Bedeutung. Ähnlich wie alle Mütter eine Bindung zu ihren Kindern über den Klang der Stimme aufbauen, rückt Antje Greie ihre Vocals in das Zentrum der Aufmerksamkeit, und verführt den Hörer sein assoziatives Potenzial an ihren Gedankenströmen zu messen. Mag sein, die Musik ist der Mittler zwischen zwei Motiven, die in Text und Titeln immer wieder aufgegriffen werden: "Poem" und "Movie". Jene Vorstellung eines verzaubernden Satzes verbindet sich mit jener Vorstellung eines perfekten Bildes auf der Ebene der Musik. Diese Musik hat die Kraft die Wahrnehmungen zu intensivieren, die Erfahrung eines Zeitgefüges zu manipulieren, damit Sprache neu erlebbar zu machen und Visionen einen Moment länger als gewohnt festzuhalten. Die Form gibt dabei den Inhalt mühelos frei - in dem Klang der Worte liegt so viel Neugier, so viel Erstaunen. Die Wachheit eines offenen Geistes. Trotz der elektronischen Basis ihrer Stücke befreit sich Antje Greie von den Erwartungshaltungen, die ihre Projekte mit Laub, mit Luomo oder ihre Kollaboration mit Craig Armstrong hervorgerufen haben. Getreu dem im letzten Stück verwendeten Blade-Runner-Zitat "if only you could see, what I have seen with your eyes" führt Antje Greie den Hörer durch die persönlichste aller Welten und wirft ihn letztendlich auf sich selbst zurück. Das dies kein schmerzvoller Prozess sondern eine durch und durch sinnliche Erfahrung ist, liegt an der Kunst der Komposition. Fragil und transparent sind zwei Attribute die einem bei den Lautmalereien unmittelbar einfallen wollen, jedoch sind auch Gegenpole wie rollende Basswellen oder clickende Sollbruchstellen im Gesamtbild verankert, so dass ein sehr ausgewogenes, organisches Resultat durch die Lautsprecher klingt. Es ist Musik zum Zuhören, befreit von jeglicher Funktionalität. Auch die klassische narrative Qualität von Text wird zu Gunsten von frei assoziierten Bildern verworfen, der musikalische Ausdruck folgt auf dem Fuße, und lässt aufregende Passagen vorübergleiten. Damit verstrickt Antje Greie ihre Hörer in ein Netz aus Zeichen, Gedanken, Symbolen und Sounds, die einem Tagtraum gleich ihr suggestives Potenzial mit jedem Anhören steigern. Es sei noch angemerkt dass die Künstlerin mit der Hilfe von ein paar Freunden ein Coverartwork für "Westernization Completed" entworfen hat, welches die Inhalte der Kompositionen spiegelt, und durch den Charakter eines Bilderbuches, gleich noch einen Gegenentwurf für all jene liefert, die immer noch bedauern, dass Compact Discs sich nicht individuell und ästhetisch verpacken lassen. Ein Gesamtkunstwerk! http://www.prosieben.de/filmdb/index2.php?action=onDetailCD&id=1236 |